Original und Parodie


Hyperions Schicksalslied


Ihr wandelt droben im Licht
   Auf weichem Boden, selige Genien!
      Glanzende Götterlüfte
         Rühren euch leicht,
            Wie die Finger der Künstlerin
               Heilige Saiten.
 
Schicksallos, wie der schlafende
   Säugling, atmen die Himmlischen;
      Keusch bewahrt
         In bescheidener Knospe,
            Blühet ewig
               Ihnen der Geist,
                  Und die seligen Augen
                     Blicken in stiller
                        Ewiger Klarheit.
 
Doch uns ist gegeben,
   Auf keiner Stätte zu ruhn,
      Es schwinden, es fallen
         Die leidenden Menschen
            Blindlings von einer
               Stunde zur andern,
                  Wie Wasser Voll Klippe
                     Zu Klippe geworfen,
                        Jahr lang ins Ungewisse hinab.


Parodie S.B. von 2913, in der ZEIT veröffentlicht unter
„Ein Gedicht“

Stuttgart 21

Ihr wohnet droben im Licht,
Auf halben Höhen,
Stadtplaner, Investoren!
Frisch umsäuseln euch 
Lüfte leicht,
Fahret Mercedes.

Schicksalhaft, weil sie wissen,
Atmen die Mächtigen.
Blind bewahrt
In edelen Villen,
Erträumen sie
Zukunft.
Und ihre Augen
blicken am Unheil
immer vorbei.

Doch uns ist gegeben
An keiner Stätte zu ruhn,
Es fahren tief unten 
Die einfachen Menschen,
Blindlings wie Rohrpost 
Von Bahnhof 
Zu Bahnhof geworfen,
Atmen Tunnelluft 
in tiefer Station.