Dümmstes Großprojekt

Betr: „Gesten der Reue gefragt“, taz vom 19.11.15
 
Immer wieder enttäuscht die taz mit ihrer Berichterstattung über Stuttgart 21. Als wollte sie nicht wahrnehmen, dass es die Bürgerbewegung mit ihrer unglaublichen Kompetenz und ihrem hartnäckigen Widerstand weiterhin gibt. Und als wollte sie nicht wahrnehmen, warum es sie weiter gibt, dass es ihr nämlich weiterhin darum geht, aus Deutschlands dümmstem Großprojekt auszusteigen, weil die Verkehrskapazität verkleinert wird, weil kein integraler Taktfahrplan („Deutschlandtakt“) möglich ist, weil viel sinnvollere Investitionen in den Ausbau der Flächenbahn verhindert werden, weil eine Rückverlagerung von Verkehr auf die Straße ein Fiasko für die stau- und abgasgeplagte Südwest-Metropole wäre, usw.

Dass die grünen Spitzen, die diese Bürgerbewegung erst in Stadt und Land in ihre Ämter gebracht hat, sich abgewandt haben und nun eifrig bei diesem Aberwitz mitmachen, sollte für eine wache und kritische Zeitung eher ein Grund sein, Augen und Ohren zu spitzen, als in den grünen Abgesang einzustimmen. Keiner erwartet, dass Ihr eine Bürgerbewegungen hochjazzt, aber dass Ihr sie wahrnehmt und vielleicht ein bisschen aufmerksamer berichtet als der journalistische Mainstream, sollte man schon erwarten. Das Urteil zum Schwarzen Donnerstag delegitimiert die machtpolitische Durchsetzung von S21 à la Mappus, aber es legitimiert noch lange nicht die geschmeidigere Durchsetzung à la Kretschmann.
 
Werner Sauerborn, Stuttgart