Prof. Dr.-Ing Manfred Fischer
Baumreute 41
70199 STUTTGART
Tel./Fax : 0711 / 6407839
Prof. Dr.-Ing. M. Fischer, Baumreute 41, 70199 Stuttgart
Herrn Oberbürgermeister 8.8.2010
Dr. Wolfgang Schuster
Marktplatz 1
70173 STUTTGART
Stuttgart 21:Offener Brief zu Ihrem Offenen Brief OB Schuster (Brief OB Schuster)
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Schuster,
die Gegner von Stuttgart 21 haben in vielen Veröffentlichungen und Darstellungen ihre kritische Haltung zu dem Projekt Stuttgart 21 sachlich begründet vorgetragen. Die Darstellungen in Ihrem Offenen Brief zeigen jedoch, dass Sie gegenüber sachlicher Kritik nicht aufgeschlossen sind.
Wieder einmal versuchen Sie sich rein zu waschen und die Gegner zu beschuldigen z.B. im Punkt 3:
Sie erwähnen dort die Gerichte. Diese können bekanntlich nicht alleine über technische Fragestellungen entscheiden, ohne Fachleute hinzu zu ziehen. Die hinzugezogenen Fachleute z.B. in Mannheim waren damals jene, die im Boot von Stuttgart 21 sitzen. So kam es, dass K 21 zu unrecht abgeschmettert wurde. Sie, Herr Dr. Schuster, haben damals nicht darauf hingewirkt, dass unabhängige Fachleute gehört wurden. Heute ist durch die SMA-Studie offenkundig geworden, was die Gegner schon lange sagen und in unabhängigen Gutachten untermauert wurde, dass nämlich die Verkehrslösung von Stuttgart 21 miserabel ist. Damit ist auch noch bewiesen, dass die damaligen Fachleute, welche die Verkehrslösung von Stuttgart 21 befürwortet und als besonders leistungsfähig herausgestellt haben, offensichtlich zweitrangige Fachleute sind. Die Kopfbahnhoflösung K 21wurde somit zu Unrecht beiseite gelegt und die Verzögerungen sind durch die S 21-Befürworter zu vertreten.
Sie, Herr Dr. Schuster stehen heute vor einem selbst verantworteten Scherbenhaufen, weil Sie glaubten, die Kritiker nicht ernst nehmen zu müssen.
Aus dem SMA-Gutachten und der nachgeschobenen Stellungnahme der SMA ist heute zu ersehen, dass die S 21-Lösung viele Schwachpunkte besitzt. Obwohl diese Studie schon 2 Jahre vorliegt aber unter Verschluss gehalten wurde, sind die Fehler bis heute nicht ausgemerzt. Lediglich an einer Stelle soll nachgebessert werden. Bis heute ist aber noch nicht sicher, ob die Bahn (Netzt) zu der schlecht entworfenen Infrastruktur von S 21einen Fahrplan findet, der das angestrebte Mengengerüst des Verkehrs bewältigen kann (Nachzulesen in der SMA-Studie). Auch diese Verzögerung ist Sache der S 21-Promotoren. Dieses Beispiel möge hier genügen.
Ihre sogenannte „differenzierte Betrachtung“ , dargelegt in den Punkten 1. bis 15., wimmelt von solchen einseitigen Darstellungen. Sie zeigt aber, dass Sie selbst gegen sachlich vorgetragene Fakten „kritikresitent“ sind. Zu allen Ihren Punkten sind ja längst Einwände vorgetragen worden. Mit diesem Offenen Brief beweisen Sie nur, dass Sie nicht aufgeben, die Dinge einseitig darzustellen. Der Duktus des Briefes ist nicht auf Problemlösung angelegt. Vielmehr wollen Sie mit ihm jene ansprechen, die keine Zeit haben oder sich keine Zeit nehmen, Ihre Behauptungen zu durchleuchten oder jene, die ebenfalls voreingenommen sind wie Sie. Von einem Oberbürgermeister erwartet ich Anderes. Sie verhalten sich einseitig und rechthaberisch aber keinesfalls sachlich und ausgleichend.
Mir ist die Zeit zu schade, mich mit Ihren Darstellungen weiter zu befassen. Vielmehr ist heute klar:
- Das Projekt Stuttgart 21 leistet nicht das, was die S 21-Promotoren versprochen haben. Man muss sogar Zweifel haben, ob seine Verkehrslösung für die überwiegende Mehrheit der Bahnfahrer nicht nur Verschlechterungen bringt.
- Die Kosten sind unsinnig hoch und bezüglich der endgültigen Höhe immer noch unübersehbar.
- Bis heute gibt es keinen Nutzen-Kosten-Nachweis, der rechtfertigen könnte, diesem Projekt gegenüber den anderen, wichtigen Bahnprojekten des „Vordringlichen Bedarfes“ Vorrang einzuräumen. Die derzeitige Absicht der Promotoren, es dennoch zu tun, ist grundgesetzwidrig, da das Grundgesetz den Wirtschaftlichkeitsnachweis mit aktuellen NkV-Werten verlangt.
- Die Mehrheit der Bürger sieht bei der Abwägung der Nebenwirkungen des Projektes mehr Nachteile als Vorteile.
Sehr geehrter Herr Dr. Schuster, wenn Sie noch Antworten auf Ihre anderen Punkte haben wollen, dann setzen Sie eine zuverlässige, unabhängige Person Ihres Apparates darauf an. Diese kann Ihnen die vielen vorhandenen sachlichen Gegendarstellungen Ihrer Behauptungen aus den Medien zusammentragen. Ich denke allerdings, dass Sie mit Ihrem Offenen Brief, wie oben schon gesagt, nicht die Gegner sondern jene erreichen wollen, die Ihre Ausführungen nicht prüfen können.
Wir, die Gegner, sind jetzt schon einen Schritt weiter. Wir wollen nunmehr ein Moratorium, weil für die demokratische Legitimation von Stuttgart 21 durch die oben dargelegten Tatsachen in den Punkten 1 bis 3 das Verfallsdatum bereits überschritten wurde. Denn nur Projekte, die ihren wirtschaftlichen Nutzen durch eine nachprüfbare Wirtschaftlichkeitsberechnung (die z.B. einer unabhängige Prüfung durch den Bundesrechnungshof Stand hält) nachweisen können, dürfen nach dem Grundgesetz zur Ausführung kommen.
Dafür, dass die Tatsachen zu Stuttgart 21 nur scheibchenweise ans Licht kamen und immer noch kommen, sind alleine die Stuttgart 21 – Promotoren verantwortlich. Heute ist klar, dass diese Promotoren die Baufreigabe zu Unrecht erschlichen haben, weil sie zum Zeitpunkt der Finanzierungsvereinbarung sowohl bei den Kosten als auch bei dem, was das Projekt an Leistungen bringen soll, mit unrealen Zahlen gearbeitet haben und noch immer arbeiten. Dasselbe gilt erst recht für den Baubeginn.
Herr Dr. Schuster treten Sie dem Stuttgarter Appell bei, dann glauben wir, dass sie willens sind, eine differenzierte Betrachtung der beiden Projekte S 21 und K 21 vorzunehmen.
Mit freundlichem Gruß
Manfred Fischer
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1. Offener Brief Schuster
Offener Brief: OB Schuster fordert zu sachlicher Diskussion um Stuttgart 21 auf
Stuttgart 21 bringt viele Veränderungen und in der Bauphase auch Belastungen für unsere Stadt mit sich. Dies ruft bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Ängste, Vorbehalte und ggf. auch Kritik hervor. Bei allem Verständnis für eine kritische Haltung würde ich mir hierbei doch eine sachlichere Diskussion wünschen.
Ich möchte daher im Folgenden eine differenzierte Betrachtung des Projekts vornehmen:
1. Nach zahlreichen Gutachten über die Frage, wie der Bahnknoten Stuttgart in seiner Leistungsfähigkeit für den regionalen Zugverkehr verbessert und an das Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden werden kann, hat sich die Deutsche Bahn entschieden, einen Durchgangsbahnhof hinter dem historischen Hauptbahnhof zu bauen. Diese Entscheidung fiel im Jahr 1995 nach zehnjährigen Untersuchungen von vielen Alternativen. Auch der Erhalt des jetzigen Kopfbahnhofs wurde als Alternative eingehend geprüft. Diese Weichenstellung war vorbereitet und begleitet von zahlreichen öffentlichen Diskussionen, öffentlichen Expertenhearings über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Alternativen, so dass die Bürger bereits damals an der Entscheidungsfindung beteiligt waren.
2. Als Folge der Entscheidung, einen Durchgangsbahnhof hinter dem historischen Bahnhof zu bauen, wurde 1997 ein internationaler Architektenwettbewerb ausgelobt. Nach entsprechenden Prüfungen wurde im Jahr 1998 einstimmig der Entwurf von Ingenhoven vom Preisgericht ausgewählt. Dieser Entwurf wurde breit in der Öffentlichkeit diskutiert und erfuhr große Zustimmung bei den Bürgern wie in der Architektenschaft.
3. Durch die Veränderungen im Bahnvorstand wie in der Bundesregierung wurde der ursprüngliche Zeitplan, nämlich Fertigstellung 2009, nicht mehr eingehalten. Dazu kam eine Reihe von Gerichtsverfahren. Dabei haben die Gerichte unter anderem festgestellt, dass K 21 keine Alternative zu Stuttgart 21 ist, weder unter verkehrlicher noch unter finanzieller Betrachtung. Das Projekt hat daher im Vergleich zum ursprünglichen Zeitplan nunmehr rund 10 Jahre Verspätung. Diese Verzögerung hat wesentlich zu den inzwischen eingetretenen Kostensteigerungen beigetragen.
4. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die EU-, Bundes-, Landes- und Regionalmittel für Stuttgart 21 für kommunale Aufgaben, z. B. für Kindergärten, Schulen oder Kultureinrichtungen zur Verfügung stehen würden. Diese zweckgebundenen Finanzierungsmittel können auch nicht für ein Alternativprojekt eingesetzt werden, da hierfür keine Planung, keine Planfeststellung und keine Entscheidung von den zuständigen Parlamenten vorliegt. Diese Mittel würden in anderen Teilen Deutschlands für Verkehrszwecke ausgegeben werden.
5. Aus Bürgerumfragen wissen wir, dass zum Zeitpunkt der maßgeblichen rechtsverbindlichen Entscheidungen des Gemeinderats, eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger das Gesamtprojekt Stuttgart 21 befürwortet hat. Dies galt besonders für den Kauf der frei werdenden über 100 ha großen Gleisflächen. Sie können gemeinsam mit den Bürgern in den nächsten Jahren planerisch gestaltet und ohne privaten Verwertungsdruck bebaut werden.
Die demokratisch gewählten Vertreter auf der europäischen -, Bundes-, Landes-, Regions- und Stadtebene haben diesem Projekt mit überzeugender Mehrheit von über 75 % zugestimmt.
Alle Gerichte haben dieses Projekt bestätigt, und dies nach ausführlichen Anhörungen von Experten vor Gericht. Damit steht das Projekt auf einer breiten demokratischen Basis.
6. Ich habe zu einem möglichen Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid im letzten OB-Wahlkampf Stellung bezogen. Ich stehe zu dem, was ich damals gesagt habe. 2004 habe ich zugesagt, einen Bürgerentscheid zu unterstützen für den Fall, dass sich die Landeshauptstadt über den vertraglich festgelegten Finanzierungsanteil hinaus in erheblichem Umfang beteiligten müsste. Damals war von bis zu 1 Milliarde Euro die Rede. Im Falle der Übernahme dieser erheblichen Mehrkosten durch die Stadt hätte der Gemeinderat eine neue Gesamtabwägung im Hinblick auf die Finanzierung anderer kommunaler Aufgaben vornehmen müssen. In diesem Falle hätte man wohl eine Fragestellung für einen Bürgerentscheid finden können, ohne vertragliche Bindungen zu verletzen. Da die Stadt aber mit weniger als 6 % an den Kosten von Stuttgart 21 beteiligt ist und zugleich beachtliche zusätzliche Steuereinnahmen aus dem Projekt erhält, kann die Stadt nicht einseitig aus dem Projekt aussteigen.
7. Das von den Gegnern initiierte Bürgerbegehren war nach Auffassung der Rechtsaufsichtsbehörde und des Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Das Gericht hat unter anderem ausgeführt, dass mit der Begründung zum Begehren der irreführende Eindruck erweckt werde, mit dem Bürgerbegehren könne unmittelbar über die Realisierung des Projekts abgestimmt werden. Darüber hinaus sei die von den Initiatoren verlangte Maßnahme - der Ausstieg der Stadt aus dem Projekt - auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet. Da alle Verträge längst geschlossen waren, hat das Bürgerbegehren einen elementaren Rechtsgrundsatz, das Prinzip der Vertragstreue verletzt.
8. Bauherr des Verkehrsprojekts ist die Deutsche Bahn AG. Sie hat bekanntlich im Februar 2010 mit dem Bau begonnen. Auch hatte sie angekündigt, mit dem Rückbau des Nordflügels des Bahnhofs im Laufe des August zu beginnen, nachdem die Arbeiten öffentlich ausgeschrieben und vergeben wurden.
Ich bin mir bewusst, dass die Beseitigung der beiden Seitenflügel eine sichtbare Veränderung des Kulturdenkmals mit sich bringt. Deshalb wurde diese Entscheidung erst nach längerer Abwägung der verkehrlichen, städtebaulichen und denkmalbedingten Belange und intensiven Diskussion gefällt. Die Gerichte haben diesen Abwägungsprozess im Planfeststellungsverfahren im Jahr 2005 bestätigt.
Umso wichtiger ist es jetzt für mich, dass die Verbindung zwischen dem neuen Durchgangsbahnhof und dem historischen Bahnhofsbau sorgsam geplant sowie eine qualitätsvolle Sanierung des Bonatzbaus von der Bahn vorgenommen wird.
9. Das Fällen von ca. 280 alten Bäumen im Schlossgarten schmerzt. Diese wer-den durch jüngere Bäume ersetzt. Nach der Beseitigung der Gleisanlagen wachsen anschließend bis zu 5.000 neue Bäume. Mit dem erweiterten Schlossgarten und Rosensteinpark entsteht eine neue grüne Lunge in der Innenstadt für alle Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts.
10. Die derzeitige Art und Weise der Diskussion und der Vorgehensweise der S 21-Gegner bereitet mir Sorge. Das Verkehrsprojekt Stuttgart 21 ist groß, kompliziert, finanziell aufwändig und mit einer langen Bauzeit und gewissen Erschwernissen verbunden. Das erzeugt bei Bürgern eine natürliche Skepsis. Durch die rund 10jährige Verzögerung ist eine Informationslücke bei vielen Bürgerinnen und Bürgern entstanden. Kritik an dem Projekt, noch dazu unterstützt durch das Schüren von Angst und Verunsicherung, fällt damit auf fruchtbaren Boden.
11. Wir leben - Gott sei Dank - in einem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, der die Meinungsäußerungsfreiheit und das Demonstrationsrecht zu schützen hat. Dazu gehört auch das Recht, gegen Beschlüsse der von den Bürgern gewählten Vertreter und gegen Gerichtsentscheidungen friedlich zu demonstrieren.
"Die Freiheit ist stets die Freiheit der Andersdenkenden" (Rosa Luxemburg). Ich habe kein Verständnis für verbale Attacken, Diffamierungen oder Beleidigungen, mit denen Stuttgart 21-Befürworter eingeschüchtert, genötigt oder bedroht werden.
12. Ich hoffe nicht, dass sich die Demonstranten oder die Polizei von verantwortungslosen Scharfmachern provozieren lassen. Auch Ihnen als wichtige Meinungsführer gegen Stuttgart 21 kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Helfen Sie mit, die Demonstranten zur Besonnenheit und zur Friedfertigkeit aufzufordern, um die Sicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten.
13. Dieses Projekt bedeutet für mich viel Arbeit, viel Ärger und wenig Popularität. Trotzdem habe ich mich für dieses Projekt eingesetzt und werde dies weiterhin aus ökologischen und ökonomischen Gründen tun. Denn wir brauchen mehr Verkehr auf der Schiene, ein besseres regionales Zugangebot und eine verbesserte Anbindung an die nationalen ICEs und das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz. Die Mehrzahl unserer Arbeitsplätze ist vom Export abhängig. Deshalb müssen wir als Wirtschaftsregion gut erreichbar sein. Die verkehrlichen Alternativen, den Ausbau des Stuttgarter Flughafens zu einem Großflughafen sowie der massive Ausbau der Autobahnen halte ich für ökologisch nicht vertretbar.
14. "Bei Stuttgart 21 geht es um die Rücknahme der zerstörerischen Eingriffe zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als eine gigantische Eisen- und Schotterfläche an das Herz der Stadt herangeführt wurde", so die Architektenkammer Baden-Württemberg und der Bund Deutscher Architekten. Ich würde es begrüßen, wenn Sie sich in die städtebauliche Entwicklung einbringen würden, die sich aus dem Wegfall von über 100 ha Gleisflächen ergibt.
15. Stuttgart ist eine ausgesprochen lebenswerte Stadt - bei Umfragen sagen fast 90 % der Stuttgarter, sie leben gerne hier. Damit dies so bleibt, müssen wir unseren Kindern und Enkelkindern gute berufliche Chancen und Lebensbedingungen bieten. Beim Projekt Stuttgart 21 steht daher für mich im Vordergrund, wie wir unsere Stadt sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig weiterentwickeln. Die frei werdenden Gleisflächen eröffnen uns die einmalige Chance, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten in einer grünen Parklandschaft in einem CO2-freien Europa- und Rosensteinviertel mitten in der Stadt zu schaffen. Zugleich können wir auf ein Flächenwachstum auf der grünen Wiese verzichten.
Schön wäre es, wenn Sie sich mit Ihrem Engagement, Ihrer Erfahrung und Kreativität dieser wichtigen Zukunftsaufgabe, dem größten Ökologieprojekt von Stadt, Region und Land widmen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schuster
Freitag, 06.08.2010 ©
Landeshauptstadt Stuttgart, Abteilung Kommunikation Impressum
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2. Briefpost an 300 000 Haushalte
26.Oktober 2007
Stuttgart 21
Das neue Verkehrskonzept für
Stuttgart und die Region
Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger, nach jahrelangem Tauziehen ist es so weit: Die Bahn wird endlich mit dem Bau der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm beginnen. Gleichzeitig wird in Stuttgart viel Platz geschaffen für mehr Grün, für neue Wohnungen und neue Arbeitsplätze. Wo heute gewaltige Gleisanlagen unsere Stadt zerschneiden, entsteht ein neuer Stadtteil. Rosensteinpark und Schlossgarten werden um die Fläche von rund 30 Fußballfeldern erweitert. Unsere Stadt wird noch lebenswerter. Das verdanken wir auch den vielen Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern, die sich in der Bürgerbeteiligung in den letzten Jahren engagiert haben. Der historische Bahnhofsbau mit seinem markanten Hauptgebäude, dem Turm und dem Arkadengang bleibt erhalten. Dahinter entsteht ein neuer Durchgangsbahnhof, der doppelt so leistungsfähig ist. Zugleich wird die Innenstadt mit dem neuen Bahnhof am Flughafen und der Schnellbahntrasse nach Ulm verbunden. Die Region Stuttgart liegt im Zentrum der neuen europäischen Bahnstrecke. Eine der wichtigsten künftigen Lebensadern des europäischen Kontinents verbindet uns mit Paris, Straßburg, Karlsruhe, Ulm, München, Wien und Budapest.
Zigtausende Pendler in unseren regionalen Zügen kommen künftig bequemer und schneller ans Ziel. Auch die Attraktivität der S-Bahn wird weiter zunehmen. Eine neue Bahnverbindung ist ein grünes Projekt. Wo moderne Züge in kürzerer Zeit mehr Menschen zuverlässig ans Ziel befördern können, bleibt das Auto öfter in der Garage. Das entlastet die Straßen und unsere Umwelt. Gründliche Planungen stellen sicher, dass unsere wertvollen Mineralquellen nicht beeinträchtigt werden. Nicht zuletzt wird das Stadtklima im empfindlichen Talkessel dank der neuen Parkanlagen nachhaltig verbessert. Natürlich wird dieses wichtige Projekt – allerdings weit weniger als die Alternativ-Vorschläge der Gegner – zu zeitweiligen Beeinträchtigungen führen. Wir wollen hier nichts beschönigen, aber auch nicht übertreiben. Die Bahn als Bauherr hat eine ausgetüftelte Baustellen-Organisation erarbeitet, um die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich zu halten. Die Tunnels werden unterirdisch gegraben, der Erdaushub wird nahezu vollständig auf Transportbändern und separaten Baustraßen über das bisherige Bahngelände transportiert und mit Zügen weggeschafft. Die Bahn, der VVS, die SSB und die Stadtverwaltung werden jede einzelne Baumaßnahme sorgfältig abstimmen, damit die Einschränkungen überschaubar bleiben. Lassen Sie mich auf die Kosten eingehen: Richtig ist, dass die Bahnprojekte in Stuttgart mit 2,8 Mrd. Euro und die Neubaustrecke nach Ulm mit 2 Mrd. Euro große Investitionen sind. Richtig ist aber auch, dass die Alternativen langfristig nicht günstiger und schon gar nicht umweltschonender sind. Deshalb haben der Landtag, die Regionalversammlung und der Gemeinderat mit ganz breiten Mehrheiten für das Projekt gestimmt. Die Gerichte, die von den Gegnern angerufen wurden, haben in allen Instanzen das Projekt als die beste Lösung bestätigt. Den Löwenanteil der Bausumme tragen der Bund, die Bahn und das Land. Die Stadt übernimmt nur relativ geringe Kosten. Sie entsprechen bis zur Fertigstellung im Jahr 2020 weniger als 1 Prozent des Haushalts. Da die Stadt 2007 mehr Geld eingenommen hat als geplant, konnten wir eine Rücklage bilden. So werden künftige Haushalte nicht belastet. Unabhängig davon werden wir in den kommenden Jahren in unsere Schulen, Kindergärten und andere Einrichtungen mehr als je zuvor investieren. Da die Stadt langfristig durch das Projekt zusätzliche Steuern einnimmt, gewinnt sie unter dem Strich sogar finanziell. Vor uns liegt eine große Chance für die Zukunft unserer Stadt: bessere Zugverbindungen, mehr Klimaschutz, mehr Lebensqualität, mehr Wohnungen, mehr Arbeitsplätze, mehr Grün und bessere wirtschaftliche Perspektiven. Ich bitte Sie, dieses für unser Land, unsere Region und unsere Stadt so wichtige Projekt zu unterstützen. Mit freundlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Schuster,Oberbürgermeister
Vorwort:
Ich habe den Brief des ehemaligen Oberbürgermeisters von Stuttgart, Herr Dr. Schuster, den er am 26.Oktober 2007 an die Stuttgarter Bürger geschrieben hat, bislang nicht gekannt. In diesem Brief warb er für das Projekt Stuttgart 21. Am Schluss des Briefes bat er, „dieses für unser Land, unsere Region und unsere Stadt so wichtige Projekt zu unterstützen.“ Und er unterschreibt dann ganz „bürgernah“
„mit freundlichen Grüßen Ihr Wolfgang Schuster, Oberbürgermeister.“
Mich erheitern seine damaligen Äußerungen in diesem Brief, da die Fakten
heute ja bekannt sind. Natürlich sind sie nur jenen bekannt, die sich mit den angesprochenen Problemen beschäftigt haben oder sich bemühten, verlässliche Antworten von wirklichen Fachleuten auf den entsprechenden Gebieten zu bekommen. Ich selbst verspüre daher heute keine große Lust mehr, zum X-ten Mal Behauptungen zu widerlegen, die alle längst kennen, die sich um die Fakten bemüht haben,. Wenn ich mich hier dennoch mit dem Brief von Herrn Schuster befasse, kann ich teilweise „Ironie“ nicht unterdrücken.
Aus diesem fast12 Jahre alten Brief habe ich mir einige wichtig erscheinende Aussagen von Herrn Schuster herausgeschrieben und mit 1, bis 12. nummeriert. Zu jeder Aussage gebe ich einen Kommentar ab, der mehr oder weniger ernst gemeint ist (siehe oben).
1.In Stuttgart wird viel Platz geschaffen für mehr Grün.
Ich nehme an, dass die Sekretärin bei Grün das e vergessen hat. Herr Schuster meint demnach : In Stuttgart wird durch das Projekt S21 viel Platz geschaffen für mehr Grüne. Damit hatte er Recht. Tatsächlich zog Herr Kretschmann in die große Staatskanzlei ein, Herr Kuhn in das Rathaus und Herr Hermann ins Verkehrsministerium.
2.Es wird viel Platz geschaffen für für neue Wohnungen.
Feststellen muss ich allerdings, dass bislang nur wenige teure Wohnungen gebaut wurden.
3.Wo heute gewaltige Gleisanlagen unsere Stadt zerschneiden, entsteht ein neuer Stadtteil.
Dass unsere Stadt zerschnitten sei, habe ich, als alter Stuttgarter, nicht so empfunden. Im Gegenteil, ich bin sogar begeistert, wie „hälinga“ die Züge in Stuttgart den Hauptbahnhof erreichen. Hervorragende Ingenieure haben einst
mit guten Ideen die Trassen der vielen Gleise in den geneigten Hang „hinein komponiert“,so dass die Züge kreuzungsfrei und ohne die Umgebung zu stören, ihren vorgesehenen Bahnsteig erreichen. Die Fahrgäste hatten kurz vor dem Bahnhof sogar noch eine schöne Aussicht auf den Kriegsberg in Fahrtrichtung rechts und auf die Uhlandshöhe links. Diese Einfahrt war für mich immer ein Erlebnis. Heute ist diese Aussicht schon teilweise verstellt und soll noch weiter verstellt werden. Der Hinweis auf eine Stadtzerschneidung ist m. E.lediglich ein Vorwand gewesen, um die Immobilienbranche zum Zuge kommen zu lassen. Tatsächlich fehlen zukünftig in diesem „verbauten“ Bezirk freie Flächen, um diesen Stadtbereich gut zu belüften.
4.Rosensteinpark und Schlossgarten werden um die Fläche von rund 30 Fußballfeldern erweitert.Unsere Stadt wird noch lebenswerter. Das verdanken wir auch den vielen Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern, die sich in der Bürgerbeteiligung in den letzten Jahren engagiert haben.
Beim ersten Satz dachte Herr Schuster vielleicht schon an eine Fußballweltmeisterschaft in Stuttgart? Ob allerdings Fußball eine Stadt lebenswerter macht (Satz 2), muss man derzeit in Stuttgart (mit seinem VfB) eher bezweifeln!
Im dritten Satz werden engagierte Bürger gelobt. Da sich hauptsächlich die S21-Gegner in Sachen S21 engagiert haben, dürfen sicher diese Bürger das Lob von Herrn Schuster auf sich beziehen. Und tatsächlich wären ohne die S21-Gegner die Grünen nicht in die Regierung gekommen. Und die drei vorher genannten Grünen sind ja tatsächlich Vasallen des Projekts Stuttgart 21 geworden. Der grüne Bürgermeister brachte es gar auf den Punkt mit dem Satz: Stuttgart 21 tut der Stadt gut! (Tunneldurchschlagfeier für Stuttgart 21, 2016).
5.Hinter dem historischen Bahnhofsbau entsteht ein neuer Durchgangsbahnhof, der doppelt so leistungsfähig ist.
Ich bin mir sicher, dass auch Herr Schuster das heute selbst nicht mehr glaubt. Darauf vertraue ich.
6.Zugleich wird die Innenstadt mit dem neuen Bahnhof am Flughafen verbunden.
Dieser neue Bahnhof am Flughafen wird wohl so interessant gestaltet werden, dass man ihn unbedingt gesehen haben muss, ehe man dann mit seinem Gepäck den längeren Fußweg von diesem Bahnhof zum Flughafen antritt.
7.Die Region Stuttgart liegt im Zentrum der neuen europäischen Bahnstrecke. Eine der wichtigsten künftigen Lebensadern des europäischen Kontinents verbindet uns mit Paris, Straßburg, Karlsruhe, Ulm, München, Wien und Budapest.
Da Karlsruhe mit seinen 14 Gleisen für den geplanten Deutschlandtakt der DB eher geeignet ist als der Tiefbahnhaltepunkt in Stuttgart mit seinen nur 8 Gleisen, muss wohl Stuttgart die Zentrumsaufgabe an Karlsruhe abtreten.
8.Gründliche Planungen stellen sicher, dass unsere wertvollen Mineralquellen nicht beeinträchtigt werden.
Da heute die meisten Bürger wissen, dass die Planungen von Stuttgart 21 überhaupt nicht gründlich waren, müssen sie leider um Beeinträchtigungen dieser Quellen bangen.
9.Nicht zuletzt wird das Stadtklima im empfindlichen Talkessel dank der neuen Parkanlagen nachhaltig verbessert,
und wegen der geplanten Überbauung von weiteren Flächen wieder nachhaltig verschlechtert.
10.Die Stadt übernimmt nur relativ geringe Kosten. Sie entsprechen bis zur Fertigstellung im Jahr 2020 weniger als 1 Prozent des Haushalts. Da die Stadt 2007 mehr Geld eingenommen hat als geplant, konnten wir eine Rücklage bilden. So werden künftige Haushalte nicht belastet. Unabhängig davon werden wir in den kommenden Jahren in unsere Schulen, Kindergärten und andere Einrichtungen mehr als je zuvor investieren.
Da die Schulen,Kindergärten und andere Einrichtungen in Stuttgart heute nicht gut gepflegt aussehen, ist obige Rechnung von Herrn Schuster bislang nicht aufgegangen.
11.Lassen Sie mich auf die Kosten eingehen: Richtig ist, dass die Bahnprojekte in Stuttgart mit 2,8 Mrd. Euro und die Neubaustrecke nach Ulm mit 2 Mrd. Euro große Investitionen sind. Richtig ist aber auch, dass die Alternativen langfristig nicht günstiger und schon gar nicht umweltschonender sind.
Dass das Projekt Stuttgart 21 mit seinen enormen Kostensteigerungen als völlig unwirtschaftliches Projekt gesehen werden muss, sagt heute selbst der Bahnvorstand Lutz. Der Vorschlag „Umstieg“ der Gegner spart dagegen einen hohen Kostenbetrag ein.
12. Vor uns liegt eine große Chance für die Zukunft unserer Stadt: bessere Zugverbindungen, mehr Klimaschutz, mehr Lebensqualität, mehr Wohnungen, mehr Arbeitsplätze, mehr Grün und bessere wirtschaftliche Perspektiven. Ich bitte Sie, dieses für unser Land, unsere Region und unsere Stadt so wichtige Projekt zu unterstützen. Mit freundlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Schuster,Oberbürgermeister
Diese ehemaligen Einschätzungen von Herrn Schuster haben sich als falsch herausgestellt. Das Projekt S21 ist ein Klima- und Stadtkiller (siehe auch Aussagen von Claus Peymann zu Stuttgart21)