Version März 2013, in der ZEIT veröffentlicht:
Version 2 nach "Schicksalslied" von Hölderlin, März 2013:
Stuttgart 21
Ihr wohnet droben im Licht,
Auf halben Höhen,
Stadtplaner, Investoren!
Frisch umsäuseln euch
Lüfte leicht,
Fahret Mercedes.
Schicksalhaft, weil sie wissen,
Atmen die Mächtigen.
Blind bewahrt
In edelen Villen,
Erträumen sie
Zukunft.
Und ihre Augen
blicken am Unheil
immer vorbei.
Doch uns ist gegeben
An keiner Stätte zu ruhn,
Es fahren tief unten
Die einfachen Menschen,
Blindlings wie Rohrpost
Von Bahnhof
Zu Bahnhof geworfen,
Atmen Tunnelluft
in tiefer Station.
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Erstfassung 2008 unter Verwendung verschiedener Gedichte Hölderlins:
MetropoliS21
Ihr wandelt droben im Licht,
Auf Halbhöhenlagen,
Stadtplaner, Aktionäre, Investoren!
Frisch umsäuseln euch Lüfte leicht,
In Doppelgaragen Mercedes und Smart.
Doch uns ist gegeben
An keiner Stätte zu ruhn,
Es fahren tief unten die einfachen Menschen
Wie Rohrpost von Bahnhof zu Bahnhof geworfen,
atmen Tunnelluft in tiefer Station.
Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es unten ist, die Aussicht, und wo
Den Sonnenschein?
Betonwände stehn
Sprachlos und kalt.
Mein Stuttgart - wohin denn du?
(Zwei Zeilen am 2.2.09 geändert auf Vorschlag eines Hölderlin-Freundes)
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zu METROPOLIS21
Leserbrief von Siegfried Busch an die StZ vom 18.9.08 (veröffentlicht unter „Oben Reichtum, unten Reisende“
Betr. Stadtbibliothek soll das neue Europaviertel beleben, Artikel vom 18.9.08
Das ist doch eine schöne Nachricht! Nach jahrzehntelanger hässlicher Großbrache im Herzen Stuttgarts endlich die Bebauung. Als Beobachter fragt man sich allerdings, warum das so lang dauern musste, denn das Baugebiet A 1 ist doch von Stuttgart 21 gar nicht betroffen, die aktuellen Gleisfelder werden nicht tangiert. Die Nachricht, dass die Stuttgarter Straßenbahnen AG mit der neuen Stadtbibliothek eine neue Trasse durch das „Europaviertel“ baut, ist auch verwunderlich. Dieses Viertel ist doch schon jetzt durch den Hauptbahnhof, die U-Bahn-Station Türlenstraße und die Wolframstraße hervorragend verkehrlich angebunden. Die Architekturfotos vom neuen Viertel zeigen eine dichte Hochbebauung mit 6 Stockwerken aufwärts (zum Vergleich: die großen Stuttgarter Bürgerhäuser z.B. in der Olgastraße haben meist nur 4 Stockwerke und nach vorne und hinten viel Raum) und lässt stark bezweifeln, ob eine angenehme Aufenthaltsqualität entsteht. Ein Gang durch die seitherigen Bauproben des Viertels löst jedenfalls Bedrückungsgefühle aus. Wenn Stuttgart 21 kommt, erinnert das fatal an Metropolis: oben das Kapital und Reichtum, unterirdisch täglich etwa 300 000 Bahnreisende. Ist die Kapitalvernichtung durch den Abbruch funktionierender und relativ neuer Verkehrsstruktur wie den U-Bahn-Stationen Türlenstraße oder Staatsgalerie, S-Bahn-Station Nordbahnhof und andere samt Zulaufstrecken eigentlich in die Kalkulation von Stuttgart 21 eingegangen, das ist doch alles längst nicht veraltet und abgeschrieben! Wäre in heutiger Zeit mit den wenig rosigen Zukunftsperspektiven zum Beispiel bei der Bevölkerungsentwicklung nicht eine erneute Besinnung angebracht in Richtung Maß halten, bevor es zu spät ist?
Flyer, Privatdruck 2010, Auflage 10.000