21 gute Gründe für Stuttgart 21 Nr.13
Vorteile für uns: Als Einwohner
13: „Jahrhundertchance für die Stadtentwicklung“
Wo heute noch Züge fahren, werden nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 über 100 Hektar Gleisflächen frei. Die Stadt kann sich im Zentrum neu entwickeln. Die in der Innenstadt liegenden Gleisflächen verschwinden. Die Stadtteile im Stuttgarter Norden und Osten wachsen wieder zusammen.
Kommentierung:
Das ist die Trumpfkarte des Gemeinderats mit Oberbürgermeister und Bauamt. Eine attraktive Tatsache, an der nicht zu rütteln ist: die Möglichkeit der Stadtentwicklung. Oder doch?
Der Umbau zum Durchgangsbahnhof, so wird behauptet, wird die Entwicklung von über 100 Hektar innerstädtischer Gleisflächen ermöglichen. Diese städtebaulichen Potenziale führten die Planer von Stuttgart 21 zur Finanzierung des Großprojekts von Anfang an ins Feld. "Innenentwicklung" heißt das Schlagwort, also das Bauen auf Brachflächen, verbunden mit der Schonung wertvoller Ackerböden am Stadtrand. Eine Vision, so die S21-Projektbefürworter, der sich auch Umweltschützer nicht verschließen könnten.
Wenn nicht die Verwüstung des Stadtkerns damit verbunden wäre und die Bahnkunden das Nach(und Nicht)sehen hätten und die Milliarden keine Rolle spielten und der ZOB nicht in Vororte verlegt werden müsste und und... kaum jemand könnte dagegen sein.
Unabhängige Stadtplaner kommen freilich zu einem ganz anderen Urteil: Stuttgart 21 bietet nicht nur keine städtebauliche Chance für Stuttgart, sondern zerstört die Stadt. Im Zentrum der Zerstörung der stadtbildprägende Bonatzbahnhof, dessen Fassadenlänge um etwa die Hälfte gekürzt wurde, dazu der zentrale am Bahnhof gelegene Schlosspark.
Genauer betrachtet sieht die „Jahrhundertchance“ wenig attraktiv aus:
...über 100 Hektar Gleisflächen frei:
Dr. Martin Vieregg am 1. Juli 2010 in der Filderhalle Leinfelden: Es sind nicht 100 Hektar, sondern nur 20 Hektar, die durch Stuttgart 21 zusätzlich frei werden, alle anderen Flächen sind bereits frei oder könnten auch bei Erhalt des Kopfbahnhofs frei gemacht werden.
„Wo heute noch Züge fahren, werden nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 über 100 Hektar Gleisflächen frei.“ Das ist also eine glatte Falschaussage!
Vergleicht man die tatsächlich bebaubare Gleisfläche (knapp 58 Hektar bei S21) mit dem Modell Kopfbahnhof 21, werden auch bei diesem rund 75% der Flächen frei. Die Bedeutung dieser Flächen zeigt sich beim Blick auf das "Nachhaltige Bauflächenmanagement der Stadt Stuttgart" (NBS - Lagebericht 2008). Dort werden auch ohne S21 mehr als 200 Hektar Brachflächen für den Wohnungsbau ausgewiesen. Die Stadt verfügt damit über Flächenreserven, die weit über das Jahr 2020 hinaus reichen.
Die … Gleisflächen verschwinden:
nur ein Mensch, dem die Faszination für Züge und Gleise abgeht, kann sich darüber freuen. Vor allem, wenn er sich den Tausch gegen die dichte Hochbebauung auch auf dem Filetstück (A2) im Stadtmodell im Rathaus angesehen hat. Frankfurt, Leipzig und München könnten Flächen zur Stadtentwicklung in ihren Zentren nicht weniger gut brauchen als Stuttgart. Sie wollten aber lieber mit ihren altmodischen Kopfbahnhöfen leben.
Die negativen Folgen für das Stadtklima Stuttgarts dürfen nicht übersehen werden, Memorandum Dr. Behmel: “Die Stuttgarter Stadtklimatologie ist international führend, ihr Rat wird in China, Japan und den USA geschätzt - nur nicht in Stuttgart.“
„Die Stadtteile im Stuttgarter Norden und Osten wachsen wieder zusammen.“
Wann bitte waren sie je zusammen? Wer hat diesen Schwachsinn geschrieben? Alte Stadtpläne vor der ersten Eisenbahn Mitte des 19. Jh. zeigen überhaupt keine Bebauung dieser heutigen Stadtteile. Es war landwirtschaftlich genutztes Land. (Die Stuttgart-21-Projektoren rechnen offenbar mit dem Unwissen der Stadtbevölkerung, wenn sie solche unstimmigen Behauptungen verbreiten.)
Dann ging eine einsame Eisenbahnstrecke nach Cannstatt und Feuerbach. Der König (Wilhelm I) kaufte zuvor Land auf für den öffentlich zugänglichen großen englischen Garten (Rosensteinpark) samt Schlössle (Schloss Rosenstein) und für sein Privatvergnügen (Wilhelma). Und das wird zum Glück zusammen mit dem mittleren und unteren Schlossgarten auch bei Stuttgart 21 eine Trennung bleiben müssen mit einem einzigen Auto-„Durchschlupf“ zur Wolframstraße.
Aus einem Artikel in den Stuttgarter Nachrichten von Ende August 2010
Stuttgart - Mit visionären Projekten wie der Idee für die Gestaltung des Stadtzentrums der CO2-freien Stadt Masdar City erwarb sich Tobias Wallisser (40) internationales Renommee. Für das städtebauliche Konzept des Bahn-Großprojekts Stuttgart 21 fordert der Professor für Innovative Bau- und Raumkonzepte an der Kunstakademie Stuttgart ein tieferes Nachdenken.
...„Die Tieferlegung des Bahnhofs schafft eine große Erweiterungsfläche mitten in der Stadt. Aber den ökonomischen Druck, dieses Gebiet schnell zu entwickeln, gibt es derzeit nicht. Dazu kommt noch, dass dieses Gebiet von der Halle des bestehenden Bahnhofsgebäudes abgeriegelt wird. Der Tiefbahnhof bricht also keine Barrieren. Etwas, was mich am Städtebau ärgert, ist diese Helikopter-Perspektive. Da schaut man sich von ganz weit oben ein Gebiet an, dann zeichnet man Schwarzpläne - also Pläne, auf denen Häuser schwarz und Straßenflächen weiß sind - und achtet darauf, dass es ein schönes Muster gibt. Das ist nicht mehr zeitgemäß! Natürlich kann man argumentieren, dass jetzt die Verbindung zwischen Stuttgart-Ost über den Park zur Heilbronner Straße geschlagen wird. Aber welchen Bedarf gibt es da überhaupt? Wer soll da aus welchem Grund von der einen zur anderen Seite gehen? Durch die Bürger, die Nutzer wird die Stadt zur Stadt, nicht weil der Schwarzplan irgendwie aufgeht.“...
Die 7-spurige Autopiste zwischen der Schwabengarage und dem Cannstatter Autotunnel wird mit ihrer hohen Beton-Lärmschutzwand auch bei Stuttgart 21 das „Zusammenwachsen“ verhindern und einen Dauerlärmteppich in den Schlossgarten legen (die Züge sind viel weniger störend und auch schnell vorbei).
Juni 2013: Vision und Realität:
Vision, ein „Solitär“ (?) und - Suchbild! - schon eingekeilt Juni 2013
Foto 30.12.2016:
Aus Stuttgarter Zeitung, August 2014. Entlarvung der 100ha-Lüge:
- A1: gehört nicht zu Stuttgart 21, ist schon seit Jahrzehnten frei und inzwischen fast bebaut
- C: ist heute schon „frei“, allerdings mit Baulogistik S21 belegt
- B: so gut wie bei S21 kann das Paketpostamt und zumindest Teile des Abstellbahnhofs frei gemacht werden.
____________________________________________________
Ergebnis: die 100 Hektar schrumpfen auf etwa ein Drittel
Die taz am 6.10. 2010
"Ein weiterer Punkt sind die Flächen, die durch das Projekt frei werden. Auf ihnen soll es komplett neue Stadtteile geben. Auch bei K21 würden 75 Prozent der bebaubaren Flächen von S21 neu entstehen.“
„100 - eine magische Zahl schrumpft zur Drittelwahrheit“ (Artikel von 2010 ist nicht mehr im Netz verfügbar)